Karin Linke-Sentesch über die Anfänge einer 30-jährigen Erfolgsgeschichte
Karin Linke-Sentesch, eine Pionierin der Arbeitsassistenz in Österreich, erste dabei-austria Geschäftsführerin und aktuell Leiterin der Beruflichen Integration bei den Psychosozialen Zentren gGmbH (PSZ) in Niederösterreich erzählt über die Anfänge einer 30-jährigen Erfolgsgeschichte.
Visionen erfordern keine ärztliche Behandlung - aber Mut
Es ist unglaublich, wie die Zeit vergeht.
30 Jahre ist es nun her, dennoch erscheint es mir, als wäre es erst (vor-) gestern gewesen: die Eröffnung der ersten Arbeitsassistenz in Wolkersdorf durch Hofrätin Dr. Acs und Dr. Andrea Schmon vom Landesinvalidenamt (ja, so hat es geheißen, das heutige Bundessozialamt). Auch das Arbeitsmarktservice hieß im Jahr 1992 noch Landesarbeitsamt und war durch Mag. Karl Fakler würdig vertreten. Alle sind sie damals gekommen, um etwas aus der Taufe zu heben, was es bis dato in Österreich so nicht gegeben hat: Arbeitsassistenz für Menschen mit psychischen Erkrankungen.
Nach Vorarbeiten von Mitarbeiter*innen des Psychosozialen Dienstes, des Vereins Psychosoziale Zentren (PSZ) und des AMS in Mistelbach starteten wir hochmotiviert - damals noch ohne Handy, Internet, Computer und Richtlinien zu dritt, mit einem eigenen Verein, dem „Institut zur beruflichen Integration“ (ibi) in eine ungewisse Zukunft.
Die Erwartungen (es sollten zehn Personen pro Jahr in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden) erschienen uns sehr hoch und wir waren unsicher, ob wir das schaffen könnten. Von uns und dem Linzer Parallelprojekt der ProMente sollte es also abhängen, ob man „so etwas“ in Österreich machen sollte. Daher wurden wir von einer externen Forschungseinrichtung begutachtet und zwei Jahre lang evaluiert.
Wir, Martin Kaukal, Viktoria Stehrer und ich mühten uns redlich, erste Schritte in diesem neuen Feld zu definieren. Recherchierten im benachbarten Ausland, diskutierten viel und heftig – auch mit unseren enorm engagierten Geldgebern*innen aus dem heutigen SMS, AMS und Land NÖ – über quantitative und qualitative Merkmale erfolgreicher Arbeit.
Diese Pionierarbeit war nicht immer leicht, aber das Ergebnis konnte sich sehen lassen und unsere Erfahrungen wurden nach einem Jahr erfolgreicher Evaluation zum Standard, der im Aufbau begriffenen Arbeitsassistenz, für ganz Österreich. Das Instrumentarium der Arbeitsassistenz wurde 1998 im Behinderteneinstellungsgesetz verankert und wir waren damit federführend in der Einführung von „Supported Employment“ in Österreich.
Neun Jahre nach der Gründung unserer Arbeitsassistenz verlieh die EU, aufgrund der ausgezeichneten Arbeit aller Arbeitsassistenzeinrichtungen, der Arbeitsassistenz in Österreich die Auszeichnung „best practice project“.
Jeder dieser Entwicklungsschritte machte uns stolz. Es bedeutete nicht nur einen enorm wichtigen Schritt auf dem Weg zur Inklusion von Menschen mit psychischen Erkrankungen, sondern auch einen Ausbau des Angebotes in der PSZ. So wurde im Jahr 2000 das ibi Wien gegründet und 2008 die Arbeitsassistenz inter.work in die PSZ-Arbeitsassistenzfamilie aufgenommen. Ein Team mit viel Erfahrung, innovativen Ideen und ebenso engagierten Mitarbeiter*innen.
In dieser Pionierzeit wurde noch ein weiteres wegweisendes Projekt aus der Taufe gehoben. Wir wollten weiterhin die Qualität der Arbeitsassistenz gemeinsam vorantreiben, Lücken und Bedarfe feststellen und machten uns für einen „Dachverbandes Arbeitsassistenz Österreich“ stark. Damit war auch der Grundstein für den heutigen „Dachverband berufliche Integration – dabei-austria“ gelegt.
Die Möglichkeit, etwas Neues ausprobieren und entwickeln zu können, um die Chancen von Menschen mit psychischen Erkrankungen am Arbeitsmarkt zu erhöhen, hat mein Berufsleben immens bereichert. Und ich bin stolz auf diese Entwicklung!
Ich bin auch stolz auf all unsere Mitarbeiter*innen und Wegbegleiter*innen, die täglich und mit vollem Engagement die Arbeitsassistenz zu dem gemacht haben, was es heute ist: ein hochprofessionelles Beratungsangebot.
Aus den drei Mitarbeiter*innen wurde ein Team von über 60 und aus den 10 Vermittlungen pro Jahr sind in Summe über die letzten 30 Jahren mehr als 10.000 Absicherungen oder Erlangungen von Arbeitsplätzen geworden.
Wir stellen mit unserer Arbeit jährlich unter Beweis - auch in Zeiten von Corona - dass die Arbeitsassistenz und alle im Umfeld entwickelten NEBA-Projekte unverzichtbare Instrumente zur Integration psychisch kranker Menschen sind.
Gemeinsam haben wir viel erreicht.
Karin Linke-Sentesch